Bereits seit vielen Jahrzehnten genießen die fränkischen Kenner entlang des Mains einen ganz besonderen Wein: Der Alte Fränkische Satz. Wegen des arbeitsintensiven Anbaus gibt es heute nur noch vereinzelte Winzer, die sich noch immer an die Herstellung des Alten Satzes wagen. Und doch kämpfen diese mit Leidenschaft weiter und liefern Jahr für Jahr wunderbare und wandelbare Ergebnisse.
Wer heutzutage einen Blick auf moderne Weinberge wirft, wird auch als Laie ein einheitliches Bild nicht abstreiten können. Die Pflanzen wachsen an einer Drahtanlage in Reih und Glied, Unkraut oder Weinbergskräuter sind kaum auszumachen. Ein regelmäßiger und großzügiger Abstand zwischen den Stöcken ermöglicht den Einsatz von Maschinen und moderner Anbautechnik. Und auch im zunächst Unsichtbaren herrscht Uniformität vor: Viele der modernen Weinberge sind monoklonal, das heißt, die Stöcke gehören nicht nur zu einer einzigen Rebsorte, sondern sind zudem noch genetisch komplett identisch. Sie alle stammen von einem „Urstock“ ab, teilen dessen Vorzüge sowie dessen Nachteile. Hatte diese Urpflanze nun eine hohe Empfindlichkeit für Staunässe oder Mehltau, muss man im Falle eines Falles um die ganze Ernte bangen. Bereits vor mehr als einem Jahrhundert kannten die Häcker dieses Problem. Zwar bezog es sich damals nicht auf gengleiche Stöcke, doch auch bei einheitlicher Sorte ist die Krankheits- und Witterungsanfälligkeit für den Weinberg erheblich höher. Deshalb pflanzten sie stets nicht nur eine, sondern zahlreiche Rebsorten bunt durcheinander über den Weinberg und trugen so zu einer heute sehr selten gewordenen Kombination bei: Der Alte Fränkische Satz.
Was den Alten Fränkischen Satz so besonders für Winzer und Weinkenner macht, liegt klar auf der Hand. Zuerst wäre da die Erntesicherheit. Die urtümlichen fränkischen Weinberge des Alten Satzes, die heute ein Alter von bis zu 160 Jahren aufweisen, wurden damals schon in einer klugen Mischung angelegt. Einerseits gedeihen dort sehr resistente Stöcke, die zwar keinen herausragenden Geschmack tragen, jedoch gegenüber Frost, Staunässe und Schädlingen wenig Empfindlichkeiten aufweisen. Die Veredelung des Geschmacks erfolgt durch den anderen Teil der Pflanzen, der aus besonders hochgezüchteten Rebsorten besteht. Für den Winzer besteht durch die große Vielfalt an Sorten im Alten Satz eine Art Erntegarantie. Der traditionelle Fränkische Alte Satz besteht beispielsweise aus Silvaner, Gutedel, Elbling, Traminer und Muskateller. Das wirklich Besondere am Ergebnis ist jedoch, dass der Jahrgang jedes Mal anders ausfällt: Je nach Witterungs- und Wachstumsbedingungen sind beim Alten Satz sowohl Farbe als auch Geschmack variabel, was Weinkenner und Winzer in gespannter Vorfreude gemeinsam vorausahnen.
Zwar ist Winzern in jeder Anbauweise und trotz Maschineneinsatz eine äußerst arbeitsintensive Tätigkeit, die traditionellen Winzer des Alten Fränkischen Satzes haben zusätzliche Lasten zu tragen. Viele von ihnen haben bereits auf modernere Drahtanlagen umgesattelt, denn der traditionelle Pfahlanbau bereitet einiges an Mehrarbeit: Weil das Holz nicht auf dem Weinberg überwintern darf, müssen die Pfähle herausgezogen, eingelagert und im Frühjahr wieder in den Boden gehämmert werden. Das Auflockern der Erde und Entfernen des Unkrauts erfolgt per Hand, denn wegen des geringen Abstandes der alten Stöcke ist kein Maschineneinsatz möglich. Dazu kommen die Aufgaben eines jeden Winzers wie Hochbinden und Ausgeizen der Triebe sowie natürlich die eigentliche Weinlese. Zusammengenommen ergibt sich für jede einzelne Flasche des Alten Satzes einiges an harter Arbeit, für die echte Leidenschaft von den traditionellen Winzern gefordert wird.
Vielfalt ist das zentrale Thema eines Weinbergs des Alten Satzes. Im Licht-Schatten-Wechsel unter den alten Weinstöcken ranken sich besondere Kräuter und Gräser, die es sonst nirgends mehr zu finden gibt, wie Weinbergslauch und -tulpe. Mit den alten Anbauflächen ginge auch der Schutzraum für diese vielen Sorten unwiederbringlich verloren.
Auch die Weinpflanzen des Alten Satzes selbst sind ein lebendes Beispiel der Vielfalt. Einerseits sind da die Stöcke selbst, im Vergleich mit den monoklonalen Stöcken von heute wirkt der Alte Fränkische Satz wie ein bunter Zirkus. Nicht nur die Rebsorten wechseln sich ab, auch die einzelnen Pflanzen haben stark verschiedene Charakteristika. Die riesige Anzahl an besonderen genetischen Eigenschaften ist extrem wichtig für zukünftige Züchtungen, denn: Aus einem riesigen Weinberg an identischen Silvanerstöcken wächst keine Innovation. Um neue Eigenschaften in den Wein zu bringen, die den modernen Zuchtanforderungen entsprechen, können nun besondere Züchtungen unter Zuhilfenahme der Stöcke des Alten Fränkischen Satzes entstehen.
Obwohl die Weinberge des Alten Satzes für die Erhaltung unserer Artenvielfalt erwiesenermaßen so wichtig sind, haben die Winzer heute mit vielen Problemen zu kämpfen. Die Arbeit ist hart und die Erntemengen klein, so dass sich nicht übermäßig viel Ertrag erwirtschaften lässt.
Im schlimmsten Fall wird so ein alter Weinberg schließlich gerodet und neu bepflanzt – das Märchenende hingegen führt direkt in die Kultur: Als Museumsweinberg.
In Anbaugebiet Franken entlang des Mains finden sich heute noch einige Winzer, die Flächen im Anbaustil des Alten Satzes bewirtschaften. Auch ist er gelegentlich in Weinproben der Region anzutreffen. Ein Versuchsweinberg mit einer neuen Rebenzüchtung als alten Sorten wird von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau betrieben. Mit mehr Informationen oder bei Nachfragen helfen einem die Winzer gerne selbst weiter, wer weiter weg wohnt kann sich den Alten Satz auch in so manchem Weinversandhandel zu sich nach Hause bestellen.
Vor Ort und mit einer Weinbergsbesichtigung ist alles aber gleich viel authentischer. Diese 19 Winzer haben den echten Alten Fränkischen Satz im Programm: